Der lange Weg in die Anerkennung

In den vergangenen Jahren haben es einige Flüchtlinge geschafft, sich im Land eine Existenz aufzubauen. Dennoch bleibt der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht für jeden ohne Hürden. Davon sind Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber betroffen.

Von Cosima Sophia Hofmann

Eine junge Frau liegt auf einer Liege im Behandlungsraum. Bei ihr steht eine Magenspiegelung auf dem Plan. Sie wirkt angespannt, ihr Blick huscht nervös durch den Raum. Einer der Pfleger gibt ihr ein Beruhigungsmittel. „Jetzt machen Sie erst mal schön ein kleines Schläfchen und wenn Sie aufwachen, ist schon wieder alles vorbei, ok?“, sagt ihr der Pfleger in dem rosafarbenen Kasack. Die Patientin beruhigt sich. Nach zwanzig Minuten hat sie es überstanden und Ahmad Bargouth, der Pfleger, schiebt sie in den Aufwachraum. Doch die nächsten Patienten warten schon, einen Stillstand gibt es hier, auf der Endoskopie-Station der Uniklinik Halle nicht. Ahmad Bargouth gefällt diese Atmosphäre. „Ich arbeite gerne hier, mein Team ist super“, sagt der 27-jährige Syrer, während er auf einen Klemmbrett die Namen der nächsten Patienten studiert.

Ahmad Bargouth in seinem Element: Als Gesundheits- und Krankenpfleger unterstützt er die Ärzte auf der Endoskopie-Station jeden Tag. (Foto: Hofmann)

Beschäftigungsrate steigt

Ahmad gehört zu den zahlreichen syrischen Flüchtlingen, die 2015 auch nach Sachsen-Anhalt gekommen sind. Einigen von ihnen ist es seitdem gelungen, sich in ihrer neuen Heimat eine Existenz aufzubauen und einen Job zu finden. Das bestätigt sich auch in den Arbeitsmarktzahlen der vergangenen drei Jahre. Ende August 2018 waren im Land rund 4 236 Menschen aus Asylherkunftsländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das ist eine Verdreifachung im Vergleich zum August 2016 mit etwa 1 100 beschäftigen Flüchtlingen. Laut dem Bericht der Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt-Thüringen seien die Beschäftigten dabei in Zeitarbeitsfirmen, im Kraftfahrzeug-, Gast- und Dienstleistungsgewerbe tätig.

Auf die Geduldsprobe gestellt

Ahmad Bargouth ist einer von denjenigen, die es geschafft haben. Seit Juli ist er auf der Endoskopie-Station der Uniklinik als Gesundheits- und Krankenp

Ralf Kircheis (Foto: IQ-Netzwerk Halle)

fleger angestestellt. Doch bevor Ahmad Bargouth einen Job in der Pflege aufnehmen konnte, sollten etwa zwei Jahre vergehen. Und das obwohl er in Dar‘ā, seiner Heimatstadt erfolgreich das Studium der Pflegewissenschaften abgeschlossen hatte. „Ich hatte gedacht, dass es einfacher ist, hier anzukommen und in der Krankenpflege zu arbeiten“, sagt der studierte Pflegewissenschaftler.

Der Grund für die Verzögerung: die fehlende staatliche Anerkennung seines Berufabschlusses. Diese wird vor allem dann wichtig, wenn der angestrebte Beruf eines Flüchtlings in Deutschland reglementiert ist, der Beruf also nicht ohne ein staatliches Zulassungsverfahren und ohne eine Anerkennung der Berufsqualifikation ausgeübt werden darf. Wenn jemand jedoch als Flüchtling unter schwierigen Umständen nach Deutschland kommt, kann er häufig keine schriftlichen Nachweise über Abschlüsse oder Arbeitserfahrung vorlegen.

Auch Ahmad Bargouth fehlten wichtige Papiere, wie etwa die Beglaubigung seines Gesundheitszeugnisses. Er begab sich auf die Suche nach Hilfe und erhielt sie schließlich beim IQ-Netzwerk Sachsen-Anhalt. „Der Anerkennungsprozess hat sich bei Herrn Bargouth länger hingezogen, als zuerst vermutet“, sagt Ralf Kircheis.
Er leitet die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung des IQ-Netzwerkes in Halle, einer Zweigstelle des bundesweiten Förderprogramms. Dort werden Migranten mit bei der Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen beraten und unterstützt. Um eine Anerkennung dennoch zu ermöglichen, können Arbeitsproben oder Fachgespräche als Nachweis dienen. Bei Herrn Bargouth stand nach kurzer Zeit fest: um als Gesundheits-und Krankenpfleger in Halle arbeiten zu können, muss er zunächst eine Kenntnisprüfung ablegen. Diese besteht aus einem mündlichen sowie einem schriftlichen Teil. Dafür besuchte er einen speziellen Vorbereitungskurs in der Christlichen Akademie für Gesundheits- und Pflegeberufe in Halle. Im vergangenen Jahr bestand er die Prüfung. Und, um praktische Erfahrungen zu sammeln, absolvierte Ahmad Bargouth zusätzlich ein Freiwilliges Soziales Jahr im Uniklinkum Halle. Er schaffte es schließlich, alle Qualifikationen zu erlangen. Dazu gehörte auch das für den Beruf erforderliche B2-Sprachlevel vorzuweisen.

Fehlende Motivation durch Misserfolge

Ralf Kircheis vom IQ-Netzwerk weiß um die Bedeutung der Hilfsangebote. „Trotz bereits einiger vorhandener Förderprogramme bleibt der Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete aber dennoch teilweise schwierig. Viele lassen sich etwa von negativen Erlebnissen bei der Suche nach einer Beschäftigung schnell entmutigen und fühlen sich wenig motiviert“, so der Projektleiter.
Das würde sich erfahrungsgemäß teilweise auch negativ auf die Motivation der Arbeitsuchenden auswirken. Ahmad Bargouth blieb hartnäckig. Er schaffte es schließlich, alle Qualifikationen zu erlangen. Dazu gehörte auch das für den Beruf erforderliche B2-Sprachlevel vorzuweisen. Negative Erfahrungen in puncto Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen hat auch Thomas Kohl gemacht. An einem tag im Mai sitzt der Unternehmer aus Schönebeck (Salzlandkreis) im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen.

Das Universitätsklinikum in Halle (Foto: Dpa)

Arbeitskräfte mussten gehen

Dort ist ein Vernetzungstreffen, das Motto „Finden und Binden von ausländischen Fachkräften“. Es geht um Flüchtlinge und wie man sie zu Mitarbeitern machen kann. Vor sich hat Kohl zwei dicke Aktenordner liegen. „Das sind der komplette bürokratische Aufwand der vergangenen Jahre“, sagt Kohl. Mit seiner Reinigungsfirma ist er seit Jahren auf Mitarbeitersuche. Er sagt, Mitarbeiter zu finden, noch dazu für das Reinigungsgewerbe, sei derzeit fast unmöglich. Kamen früher im Monat 150 Bewerbungen, ist es heute oft nur noch eine einzige. Als 2015 Tausende Flüchtlinge noch nach Deutschland kamen, witterte Kohl seine Chance. Er führte unzählige Gespräche mit potenziellen Angestellten. Am Ende blieben fünf Inder übrig, die für Kohl jedoch ein Jackpot waren. „Meine Mitarbeiter sind fleißig und willensstark und zeigen Einsatzbereitschaft“, sagt Kohl auf der Tagung.

Arbeitgeber sollten mehr entlastet werden

Doch die Freude wich schnell, denn obwohl seine indischen Mitarbeiter bei ihm eine feste Anstellung hatten und gebraucht wurden, bekamen sie nur eine Duldung. Einen Asylgrund sahen die Behörden nicht. Dass die Inder sich integrieren wollten, zählte nicht. Im August 2018 versuchte der Firmenchef mit aller Kraft die Abschiebung vier seiner Mitarbeiter, deren Duldungen ausgelaufen waren, zu verhindern (die MZ berichtete). Geht es nach Thomas Kohl, müsste das Einwanderungsgesetz in der Bundesrepublik grundlegend verändert werden, um mehr Menschen eine Chance hier zu bieten. „Und um die Arbeitgeber zu entlasten“, so Kohl. Ahmad Bargouth hat seine Chace genutzt. Er fühlt sich hier angekommen. „Das Jahr 2018 war ein hartes Jahr für mich. Am Ende hat alles geklappt und ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe“, sagt er.